Zuhause kann vieles bedeuten. Geborgenheit. Angekommensein. Besitzansprüche. Freiheit im eigenen Lebensraum. Oder auch dessen Enge. Zuhause ist der Ort, wo man Freunde und Fremde empfängt. Oder fernhält. Dort, wo man Herr sein will. Auf der Karte oder im Herzen. Im diesen Monaten bin ich zwischen Tel Aviv und Kiryat Yam um einen Film über die russischprachigen Einwanderer in Israel zu machen. Ihre Aliyah bedeutet Aufstieg, die Rückkehr der Diaspora. Die Rückkehr nach Hause. Es ist die Geschichte einer Suche nach diesem Ort und nach einem neuen Ich. Manch einer wird fündig, ein anderer nicht. Drei Menschen, drei Leben, drei Geschichten.

Samstag, 30. Oktober 2010

Nacht 1


Trockene Gräser und Gebüsch zerkratzen die dazwischen, rein, vorbeihüpfenden Beine. Staub und Dunst liegen über dem Weg in einer dichten Decke und ehemals grüne Blüten ragen in die Luft in der Konkurrenz mit leuchtenden Raketen, den Türmen Tel Avivs. Liegt man am Boden, auf dem Boden, im Gras, kann man nicht wissen, was höher ist. Die Nachbarschaft.  Es ist die Zentrale. Eine ehemalige, heute verlassene, eingemauerte Militärbasis irgendwo in Tel Aviv. Meine Augen waren nicht verbunden, doch der Weg ist mir unwiederbringlich entwischt. Es ist ein Rückzugsort unterschiedlicher Charaktere. Ein Musiker, Schauspieler, Artist, ein Herr der Straße und Luftballons hat mich hierher gebracht. Eine Zeitlang war das sein Zuhause. Und noch von einigen anderen. Die Höhlen sind noch da. Als ich klein war habe ich ähnliche Höhlen im Datschagarten meiner Oma gebaut. Wo die Bäume zusammenwachsen und ihre Äste eine natürliche Hülle bilden. Hier sind Matratzen, Strandtücher, Gitarre und Melodika, Hefte und Dosen miteinander vermengt. Eine riesige Mappe im Gras versteckt ein schweres, stählern leuchtendes Stativ. Ein Profigerät, so schwer, wie ungebraucht. Aber es kann eh niemand mitnehmen. Hier kommt niemand hin. Niemand kennt den Eingang, den kleinen Einriss in der Mauer auf der Nordseite, da wo der Zaun auch eine Lücke hat.
Der Artist ist mein Gastgeber. Einige Stunden zuvor erwartete er mich am Flughafen, mit seiner halben Tastengitarre und seinem Kollegen aus Luft. Der echte lächelte kindlich, trotz silberner Fäden, die seinen Lockenkopf durchziehen und reichte mir den luftigen. Die Kinder schauten neidisch. Die Sonne war noch nicht auf, aber wir schon im südlichen Tel Aviv. Auf einer Dachterrasse. Als Überraschungsgäste. Der gesprächige Nilpferd, eine Freundin vom Nilpferd, die Besitzerin des Dachs und ihr Hund Sauvage öffneten die Tür. Als die Luft gegen 5 Uhr morgens ein wenig abkühlte gab es Tee und Zigaretten während der aufgeregte Sauvage seine kalte Schnauze an einem der Frauenbeine streifte. Und wir zogen weiter in Richtung Allenby und der Zentrale.  Auf ein anderes Dach. Der Ventilator brummte laut, als ich einschlief.